…dass man lernt, zu sehen, dass all das was wir haben vergänglich ist. Alles. Nichts ist selbstverständlich. Das sollte man sich jeden Tag bewusst machen und jeden Tag zu schätzen lernen.
Day: August 6, 2011
Das Wesentliche.
Das Wesentliche im Leben ist, dass man sich bewusst macht, dass es nicht ewig so ist wie es ist. Wir alle sterben irgendwann und haben meistens keine Kontrolle darüber, wann genau es so weit ist. Ich habe mich lange und sehr ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Habe Menschen gesehen und erlebt, die das Leben nur hassten. Menschen, die einfach unglücklich waren mit dem Leben das sie hatten – und als ihnen bewusst wurde, dass nur sie die Macht haben, es so zu verändern, dass es sie glücklich macht, taten sie dies. Oder bemühten sich zumindest. Den meisten wurde dies aber nie bewusst.
Ich denke mir selbst war dies auch lange nicht bewusst. Natürlich, man hörte Sprüche wie “Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter” und bildete sich ein, man würde dies beherzigen oder zumindest daran arbeiten. Aber an sich tut man es nicht. Man findet den Spruch schön, sieht vielleicht Wahrheit darin, aber den Schritt zu gehen, es so umzusetzen, wagt kaum wer. Viele warten einfach… jeden Tag. Beschäftigen sich, lenken sich ab. Denken sich: Irgendwann wird es schon besser. Oder beten. Oder verdrängen es. Ich bewundere jeden, der so lebt. Der jeden Tag nutzt, jeden Tag zu einem schönen macht. Der am Ende seines Lebens sagen kann: Ja. Das war es wert, ich bin bereit zu gehen – ich habe alles erlebt was ich erleben wollte oder ich war einfach glücklich.
Mir selbst wurde vor einem Jahr bewusst, wie es ist vor dem Ende zu stehen. Unvorbereitet. Unerwartet. Als der Moment gekommen war, in dem ich wirklich dachte, ich müsste sterben – und die Ärzte dies wohl auch dachten – war mein erster Gedanke: Nein, ich will nicht. Wieso? Ich habe so viel nicht erlebt. So viel falsch gemacht in meinem Leben. Mein zweiter Gedanke war: So ein Quatsch. Es ist richtig jetzt zu sterben, auf das Leben wie es vorher war hatte ich sowieso keine Lust mehr. Also lass mich sterben, das ist das beste für alle und ich habe alles hinter mir. Ich starb nicht, wie man sehen kann. Doch es war knapp und es war sicherlich nicht einfach wieder ins Leben zurückzufinden.
Dennoch muss ich sagen: Gegen meinen Zustand vor dem Krankenhaus war das Krankenhaus echt angenehm. Selbst mit all den Schläuchen, den Schmerzen, den Tränen, den Sterbenden um mich herum.
Letzendlich bin ich froh, dass es mir so passiert ist, wie es passiert ist. Das klingt sicherlich merkwürdig, ich weiß. Doch ich habe danach gelernt, mein Leben mehr zu schätzen. Oft denkt man, alles um einen herum wäre selbstverständlich… das Atmen, das Essen, das Gehen. Es ist nicht so. Alles, was wir haben, ist vergänglich. Nur weil wir es haben, heißt das nicht, dass man es nicht schätzen braucht. Nur weil viele es haben, heißt das nicht, dass es nichts wert ist. Man sollte sich jeden Tag aufs Neue klarmachen, was man hat und dafür dankbar sein. Seit letztem Jahr tue ich das. Mir geht es natürlich nicht immer gut und ich kann es auch nicht immer so umsetzen, wie ich es wollte, dennoch hilft es so zu denken.
Dadurch, dass die Ärzte und meine Freunde/Verwandten mich so unterstützt haben, ist mir mein Leben wieder mehr wert. Natürlich dachte ich im Krankenhaus auch daran, all das zu beenden. Aber dann kam mir jedes Mal der Gedanke: Sie haben sich so für dich eingesetzt, für dich gekämpft, sie haben deinem Leben Wert gegeben. Diese Feigheit, diese Schwäche von dir musst du endlich überwinden. Gib nicht immer gleich auf, sondern kämpfe – auch wenn das meistens der härtere Weg ist. Und seitdem bin ich eine bessere Kämpferin geworden. Und im Nachhinein muss ich sagen: Das war es wert.