Zwischenbericht #2

Mir geht es wieder besser… also: schlecht, gut, schlecht… Es wechselt. Momentan bin ich aber ganz zufrieden. Die miese Phase vom letzten Eintrag ist wieder passé.

Nun denn… auf ein Neues. Gute Stimmung muss ausgenutzt werden. (;

Mein neuer Psychiater hat mir im Februar Venlafaxin (SSNRI) verschrieben, nachdem ich ihm sagte, dass ich Amitryptillin (oder wie auch immer man das schreibt) nicht mehr nehmen möchte. Meine vorige Ärztin sagte mir vorher, ich sei quasi austherapiert und sie wisse selbst nicht mehr weiter (das hört man doch gerne von einem Arzt!). Das Einzige, was ihr noch einfiele, sei Lithium. Oder man könne es auch mal mit Abilify probieren – das sei zwar kein Antidepressivum, sondern ein Neuroleptikum, aber man weiß noch nicht so genau, wie es wirkt und sie habe Patienten, denen es geholfen habe. Daraufhin sagte ich, dass ich Lithium bestimmt nicht nehmen würde. (Aus diversen Gründen: Es braucht sehr lange, bis es wirkt – laut meiner Ärztin ca. drei Monate. Es gibt zwei Patientengruppen: Die einen vertragen es ohne Nebenwirkungen und es wirkt, die anderen haben viele, auch gefährliche Nebenwirkungen, z.B. Nierenversagen und es wirkt nicht. Außerdem muss der Medikamentenspiegel immer wieder im Blut getestet und eingestellt werden. Weiterhin habe ich gelesen, dass Menschen mit Schilddrüsenproblemen die Finger von dem Zeug lassen sollten.) Und als Versuchskaninchen für Abilify wollte ich mich dann auch nicht unbedingt zur Verfügung stellen – mal abgesehen davon, dass ich ein Antidepressivum wollte und kein atypisches Neuroleptikum.
Daher der Arztwechsel. Das Vertrauen zu ihr war damit endgültig erschüttert.
Den neuen Arzt hatten mir schon viele Leute unabhängig voneinander empfohlen – und sie hatten Recht: Er ist empathisch, sympathisch, einfühlsam, gründlich, vorsichtig, erklärt alles und denkt nach, bevor er etwas empfiehlt/verschreibt. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, bei ihm gut aufgehoben zu sein. Seinen Vorschlag, Venlafaxin zu probieren, hat er mir auch gut begründen können und ist auf meine Bedenken eingegangen – meinte, ich solle es langsam steigern, da er ja weiß, dass ich da etwas ängstlich bin.
Und siehe da:
Das erste AD, das ich so gut wie ohne Nebenwirkungen überstanden habe! Nur ein bisschen Schlafstörungen (wach werden in der Nacht) und Schwitzen – auch nachts. Ganz leichter Schwindel und mein Magen hat etwas rebelliert – aber nur, weil man die Dinger nicht auf leeren Magen nehmen sollte (was ich jetzt weiß! =D).
Die positiven Wirkungen haben überwogen: Am zweiten Tag hatte ich schon ein totales Stimmungshoch, war richtig euphorisch und mir ging es gut (zumindest zeitweise). Nach und nach wurden meine körperlichen Problemchen auch weniger, ich war viel konzentrierter und klarer im Kopf, mir kam alles so nah vor… und ich entwickelte eine Gleichgültigkeit – naja – sagen wir es so: Mich zogen Kleinigkeiten nicht mehr so herunter und ich konnte mich somit ein Stück besser abgrenzen gegenüber diversen Menschen und Ereignissen. Dennoch habe ich nicht das Gefühl (wie damals mit Seroquel), dadurch ein anderer Mensch zu sein. Ich habe nur das Gefühl, meine lebensfrohe Seite wiederentdeckt zu haben, die ich ja definitiv einmal hatte. Somit habe ich sogar das Gefühl, damit mehr ich selbst zu sein (auch wenn man darüber streiten kann, ob ein Mensch wirklich ein festgelegtes „Ich“ oder „Selbst“ hat), als vorher.
Nach einigen Wochen wurde dann auch die Angst weniger: Weniger Angstattacken, weniger Panik, weniger soziale Ängste und auch die Angst davor, alleine zu sein, wurde alles in allem besser. Ohne dass mich das Medi irgendwie benebelt im Kopf gemacht hätte oder gedämpft hätte.
Das einzige kleine Manko momentan ist, dass das alles (noch?) nicht so ganz stabil ist. Naja… aber deutlich besser als vorher! Ich schaffe mehr… bin nicht mehr so schnell erschöpft… der Schlaf lässt allerdings zu wünschen übrig. Ich werde zwar abends jetzt müde und kann gut einschlafen (meistens), aber ich wache sehr oft auf in der Nacht. Und habe sehr lebendige, teils verstörende Träume. Je höher die Dosis wurde, desto schlechter der Schlaf. Aber damit kann ich leben… und bestimmt auch noch etwas dafür bzw. dagegen tun. =)

 

Wer mir in dieser Zeit aber mindestens genauso viel geholfen hat, wie das neue Medi, ist der Sozialpädagoge, den ich jetzt zwei Mal die Woche sehe. Herr W.
Er ist nicht nur Soz. Päd., sondern auch ausgebildeter Gestalttherapeut (hat allerdings keine Kassenzulassung) und ich arbeite viel therapeutisch mit ihm. Er ist ein toller Mensch… Mit Sozialpädagogen habe ich bis jetzt bessere Erfahrungen gemacht, als mit Psychologen. Die sind nicht so kopflastig und meistens offener für Alternatives. Er zum Beispiel legt sehr viel Wert auf Achtsamkeit – auch in seinem eigenen Leben. Er mag Eckart Tolle, interessiert sich für Spiritualität und Quantenphysik, Philosophie, alternative Medizin. Und hat da eine sehr ähnliche Einstellung wie ich auch. Ein neugieriger, intelligenter, humorvoller, unvoreingenommener Mensch mit einer unglaublich angenehmen, ruhigen Ausstrahlung, der auch schon selbst einmal schlechte Zeiten durchgemacht hat. Das sind ja meistens sowieso die Besten. Er ist mir jedenfalls eine gute Stütze und hilft mir mehr, als mein Psychologe. Zu dem schreibe ich eventuell später etwas… ich will mir gerade meine Stimmung nicht vermiesen.

 

J., meine kleine kleine Schwester, ist für mich auch enorm wichtig geworden. Die Zeit mit ihr genieße ich total… Ich liebe die Kleine. Es macht so viel Spaß, mit ihr zu spielen und zu reden. Kinder sind so offen, unvoreingenommen, neugierig und Leben vollkommen im Moment. Da kann ich noch eine Menge von ihr lernen – und es tut mir einfach gut. Wir lachen, wir haben Spaß und ich kann total abschalten. Für sie bin ich auch ein Vorbild geworden – sie macht mir ganz viel nach und ihre Lieblingsfarbe war von Anfang an Lila – das sagt doch schon einiges! =D
Seit ich ihr an einem Regentag die Schnecken gezeigt habe, findet sie Schnecken auch total faszinierend. Das war eine schöne Geschichte…

Wir gingen Spazieren nachdem es geregnet hatte. Auf dem Weg saß eine Weinbergschnecke. Ich habe sie genommen und an den Rand gesetzt, damit sie niemand zertritt oder überfährt. Habe dann ein Brennesselblatt gepflückt, es ein paar Zentimeter vor sie gelegt und J. erzählt, dass Schnecken das gerne fressen. Sie hat zugesehen und dann sind wir weitergelaufen. Auf dem Rückweg kamen wir wieder an der Stelle vorbei. Die Schnecke war inzwischen bei dem Blatt angekommen und knabberte daran herum. Das zeigte ich J. und sie sah fasziniert zu, hat sich richtig gefreut darüber. Als wir dann neulich, ein paar Wochen später, wieder Spazieren waren, war eine Nacktschnecke auf dem Weg. J. hatte vor dem Haus meines Vaters ein Rosenblatt aufgehoben und mitgenommen. Als sie die Schnecke sah, nahm sie das Rosenblatt aus ihrer Jackentasche und legte der Schnecke einen Teil davon hin. Das fand ich so rührend… das Blatt bedeutete ihr etwas, sonst hätte sie es nicht aufgehoben und die ganze Zeit mit sich herumgetragen. Aber sie hat es mit so einem kleinen Lebewesen geteilt… und hat sich kein bisschen vor der Nacktschnecke geekelt – wie viele es ja tun würden.

 

Was gibt es sonst noch? Vielleicht gebe ich einfach noch ein paar Kuszinfos:

 

Im Herbst beginne ich dann die Ausbildung zur Ergotherapeutin. Das steht jetzt so ziemlich fest.

 

Ab nächster Woche bin ich in einer therapeutischen Gruppe, die sich „Soziale-Kompetenz-Gruppe“ nennt – ich bin mal gespannt, erwarte mir aber nicht allzu viel, da das vom Klinikum Nord ausgeht. Von dieser „Einrichtung“ erwarte ich mir generell nicht mehr allzu viel. Mal sehen, bin gespannt.

 

Ich habe vor meinen Therapeuten zu wechseln, weil der ein unglaublicher Narzisst ist und nur damit beschäftigt, sich zu profilieren. Außerdem hat er sehr merkwürdige Ansichten, die sich mit meinen absolut nicht vertragen. Milde ausgedrückt.

 

Außerdem war ich jetzt bei einer ayurvedischen Heilpraktikerin. Seitdem geht es mir körperlich viel, viel besser. Sie hat festgestellt, dass mein Becken verschoben ist und hat das mit einer ayurvedischen Ölmassage wieder gerichtet – ich habe gar nichts gemerkt. Kein knacken, kein Schmerz… War sehr angenehm und entspannend. Seitdem hatte ich dann zwei Monate lang so gut wie keine Rückenschmerzen mehr, keine Spannungskopfschmerzen, die Gelenkschmerzen waren besser und interessanterweise auch Angst und Schwindel. Ich war viel fitter. Bis letzten Montag… da hat es sich nach einem Einkauf, einem billigen Rucksack und zu viel in besagtem Rücksack wohl wieder verschoben… jetzt habe ich wieder Probleme. Naja. Wir arbeiten daran. Nach der Massage hatte ich dann noch drei Fußreflexzonenmassagen um den Lymphfluss wieder zu regulieren und das letzte Mal (Freitag) wegen meinem Becken. Autsch sag ich da nur! Aber wenn es hilft…
Ansonsten nehme ich noch Kurkumakapseln, weil ich zu viel Pitta in mir habe und in meinem Körper chronische Entzündungen am Werk sind. Kurkuma soll das Blut reinigen und somit können die Schlacken, die sich wegen dem gestörten Lymphfluss angesammelt haben, wieder über das Blut abtransportiert werden können. Außerdem wirkt es entzündungshemmend.
Ich bin sehr froh, dass ich zu ihr gegangen bin. Der erste „Arzt“ seit langem, bei dem ich das Gefühl habe, dass er bzw. sie mir wirklich helfen kann.

 

Ich denke ich belasse es jetzt mal hierbei. Das sollte für einen groben Überblick reichen… die nächsten Einträge gehen wieder mehr ins Detail, versprochen. (;

One thought on “Zwischenbericht #2”

  1. Huhu.

    Klingt nach einer Menge Terminen. Aber schön, dass Du Personen/Stellen gefunden hast, die dir durch unterschiedliche Weise helfen können.

    Was das mit deiner Ärztin betrifft: Kann man da Vertrauen erschüttern? Ich meine, es sind ja keine Freunde oder nette Kollegen, die sich plötzlich fies verhalten oder sich als falsch entpuppen. Die Frage ist auch, ob man ihnen vertrauen sollte. Für mich sind’s einfach Personen, die eine Dienstleistung zu erbringen haben … und daran natürlich verdienen wollen. (; Und so wie Du es geschrieben hast, klingt es für mich nur danach, dass sie eben selbst keine Optionen mehr sieht und die letzten Dinge als mögliche Hilfe einräumt (diese anderen Medis). Mir erscheint das (relativ) ehrlich und das ist mir lieber, wenn ein Arzt mir sagt, er hat keine weiteren Optionen, als einer der wirklich nur herumdoktort und mit deinem Befinden quasi auf’s Ganze geht oder das Blaue vom Himmel verspricht.
    Sie sind mehr oder weniger kompetent und mehr oder weniger gewinnorientiert.
    Letztlich muss man sich selbst entscheiden, auf was man sich einlässt und auf was nicht. Und das hast Du ja getan. (:

    Was ich jedoch sehr negativ fand: dass sie meint, Du seist “austherapiert”. Auch ohne Psychiater oder dergleichen zu sein, denke ich nicht, dass Du austherapiert bist. Da gibt es ganz andere “Fälle”, bei denen noch schwerere Geschütze aufgefahren werden. Zumal Du noch jung bist, finde ich nicht, dass man da behaupten kann, jemand sei austherapiert. Und selbst wenn, finde ich es überhaupt nicht gut, vor einem jungen Menschen solche Äußerungen zu treffen (Wortwahl egal). Das raubt einem doch alles, wenn man weiß, dass man – auf welche Weise auch immer – noch viele Jahre vor sich hat.

    Natürlich ist es umso schöner, dass Du einen anderen Arzt gefunden hast, der erst einmal vernünftig wirkt, noch Optionen sieht und Du diese probierst. :) Aber lass dich nicht zu sehr auf ihn ein, sonst erschüttert auch er eines Tages dein Vertrauen.

    Das mit deinem Therapeuten ist natürlich blöd. Eigentlich sollte man meinen, sie wollten oder zumindest sollten einem helfen, ja sogar noch mehr, als die Mediziner. Immerhin muss man sich doch genau diesen Leuten anvertrauen. Das Innere nach Außen kehren. Anscheinend hat er keine Kollegen, vor denen er sich profilieren kann.

    Doch genug Genörgel von meiner Seite.
    Sonst klingt es doch gut. Das freut mich wirklich, auch wenn’s noch wechselhaft ist. Über die Passage mit deiner kleinen Schwester musste ich schmunzeln. Schön, dass Du ihr diese kleine Welt der Schnecken (und bestimmt auch vielem mehr) zeigst und ihr damit die Augen öffnest. Ich denke, nicht nur dir tut es gut, Zeit mit ihr zu verbringen, sondern auch umgekehrt. Abgesehen vom Spaßfaktor wird sie mit der Zeit davon profitieren, dass Du ihr die Welt zeigst.
    Zwar kann ich mit Kindern nicht viel anfangen, aber bei denen von Bekannten beobachte ich es auch immer wieder, wie unvoreingenommen und nahezu neutral sie Dinge sehen … was ihnen mit der Zeit leider aberzogen wird. Dabei sollten sie die Welt mit ihren eigenen Augen sehen.

    Übrigens hat es mich als Kind auch vor Nacktschnecken geekelt. Meine Oma hatte einige im Garten. Von einem Gebüsch habe ich dann immer die Blätter abgemacht und die Schnecke damit umfasst, wenn ich sie nehmen wollte. Auch Weinbergschnecken haben mich ein bisschen schaudern lassen, obwohl sie ein Haus haben, aber weil sie so groß sind. Immerhin hat mir das aber niemand anerzogen, das kam von selbst. Neugierig war ich natürlich trotzdem und fand sie ganz besonders.

    Nun denn. In der therapeutischen Gruppe wünsche ich dir viel Erfolg. Schaden kann sie wohl nicht, auch wenn Du nicht viel von ihr erwartest.

    Gruß
    V.

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