Wertverlust #1

Ich möchte heute über ein Thema schreiben, das mich schon sehr oft ins Grübeln gebracht hat – ein Thema, das wahrscheinlich jeden von uns in irgendeiner Art und Weise betrifft.
Man stelle sich vor, man möchte Kekse, man geht in einen Supermarkt, sieht sich um, sucht sich entweder die leckersten, oder die mit der schönsten Verpackung, die günstigsten oder vielleicht einfach seine Lieblingskekse heraus. Man geht zur Kasse, zahlt und verschwendet keine großen Gedanken mehr an die Sache. Zu Hause angekommen, öffnet man die Packung, surft vielleicht im Internet oder knallt sich vor die Glotze und mampft nebenbei die Kekse.
Normal, würde jetzt jeder sagen. Nichts dabei.

Und genau das, möchte ich mir jetzt genauer ansehen. Man denkt sich vielleicht, ach, Kekse… und? Was ist da jetzt dabei? Ich hätte auch ein beliebiges anderes Beispiel nehmen können… es geht mir nämlich genau um dieses “nichts dabei”.

Jetzt denke ich mich mal ca. 50 Jahre in der Zeit zurück. Was hätte damals ein Kind gesagt, wenn man ihm so eine simple 0-8-15-Kekspackung geschenkt hätte? Es wäre vor Dankbarkeit und Glück wahrscheinlich gar nicht mehr aus Danksagungen herausgekommen und hätte sich richtig, richtig gefreut. Und das, obwohl es genau dieselbe Packung ist, die wir heute ohne einen Gedanken dieser Art in nebenbei futtern. Genau auf diese Problematik (ich nenne es jetzt einfach so, auch wenn viele es nicht so sehen.) möchte ich jetzt zu sprechen kommen.

Wir schätzen heutzutage kaum noch etwas wert, es ist alles selbstverständlich. Billig muss es sein, trotzdem gute Qualität und am besten auch noch schön anzusehen und wenn es sich um etwas Essbares handelt bitteschön wohlschmeckend. Das ist heutzutage selbstverständlich hier, in der westlichen Welt. Vor allem auch hier in Deutschland, da wir kein armes Land sind.

Früher jedoch, war es anders. Und in diesem Zusammenhang wage ich zu sagen: Früher war es besser. Auch wenn es abgedroschen klingt…
Vor einigen Jahrzehnten war es nicht üblich, dass jeder ein Auto besitzt, eine Wohnung, die freie Wahl der Lebensmittel, einen Fernseher oder ein Telefon. Es war auch nicht Gang und Gebe, sich jeden Monat neue Kleidung zu kaufen – auch noch von der Stange – Essensreste, die noch genießbar sind, wegzuschmeißen. Und genau deswegen, schätzte man all die Dinge, die man besaß. Denn man konnte nicht einfach Ersatz nachkaufen. Man hatte vielleicht ein Kleid, auf das man dann natürlich aufpasste, wie auf seinen Augapfel. Heute besitzen selbst die ärmsten bei uns, die, die von Sozialhilfe leben, mehr als nur ein Kleidungsstück.

Ich finde die aktuelle Einstellung der Menschen sehr schädlich und schade.
Zunächst einmal schade, weil Kinder nicht mehr lernen, das zu lieben, was sie haben. Mit dem zu leben, was da ist. Sie lernen: Wenn ich etwas nicht mag, bekomme ich etwas anderes. Wenn ich das nicht essen möchte, kauft Mama einfach etwas neues. Sie schätzen das, was sie haben nicht mehr, weil sie erstens zu viel haben und zweitens fast immer (einen besseren) Ersatz haben können.
Ein Beispiel: Ein Mädchen bekommt eine Puppe geschenkt, freut sich zunächst. Dann geht sie mit ihren Eltern in die Stadt und sieht eine andere Puppe, die noch schöner ist, als die geschenkte Puppe. Das Mädchen weiß, dass ihre Eltern Geld haben, also bittet sie um die Puppe – und bekommt sie. Die erste Puppe – die ihr vielleicht von einer ihr wichtigen Person geschenkt wurde, ist unwichtig geworden. Es geht nicht mehr um Ideale, um ideelleWerte, sondern nur noch um das Materielle: Die Puppe.

Ich bin der Meinung, diese Art von Einstellung ist schädlich für die Entwicklung eines Menschen, der später einmal liebend und wertschätzend werden soll. Wenn man lernt, man kann alles Unschöne – nicht perfekte – durch etwas Besseres ersetzen, jeden Makel einfach wegmachen, anstatt sich damit zu arrangieren bzw. daran zu arbeiten, dann denke ich, wird dieser Mensch z.B. niemals nur eine Person lieben können – sobald Probleme auftreten, wird er das als Kind erlernte Muster anwenden: Ersetzen, statt sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Eine Mutter, die diese Muster erlernt hat, wird einem schwierigen Kind weniger zuhören, mit ihm reden oder es einfach in den Arm nehmen, sie wird den einfacheren Weg wählen: Sie geht zu einem Arzt und lässt sich Pillen für das Kind verschreiben, oder notfalls auch die komplette Verantwortung der Erziehung abgeben (Heim, o.Ä.). Der Weg, des geringsten Widerstands, der Vermeidung der Auseinandersetzung mit der Problematik wird gewählt.

Ich spreche jetzt nicht nur von Lebensmitteln und Puppen, ich denke die allgemeine Tendenz in unserer Überflussgesellschaft geht in diese Richtung: Werte und materielle Güter – all diese Dinge verlieren immer mehr an Wert. Nicht an materiellem Wert, sondern an ideellem Wert.

Geht es euch nicht auch manchmal so, dass ihr euch denkt: Geht es nicht besser? Billiger? Perfekt? Anstatt zu denken: Ja, damit bin ich zufrieden. Das ist vollkommen gut wie es ist, auch wenn es irgendwo noch etwas tolleres gibt – es reicht für mich.

Ich werde bei Gelegenheit noch weitere Überlegungen zu diesem Thema, dem Thema “Wertverlust”, hier niederschreiben, dann aber auf andere Themenbereiche bezogen. Vielleicht regt es ja den einen oder anderen zum Nachdenken an…