Entlassungstermin steht jetzt fest…

… hat mir zwar niemand direkt gesagt (es hieß nur etwas von wegen “über die Feiertage nehmen wir Sie mit”), aber heute, als ich mir Pillennachschub im Stationszimmer holte, sah ich dort die Liste ausliegen mit den Aufnahme- und Entlassungsterminen. Am 09.01. ist dann wohl meine Therapie zu Ende. Jetzt, wo ich mich gerade halbwegs eingelebt habe und langsam an meine Probleme herankomme. Tja… so ist es jetzt, so war es in Erlangen… scheint mein Schicksal zu sein. Ich schätze mal, dass es einfach eine begrenzte Zeit gibt, wird wahrscheinlich auch mit der KK zu tun haben.

Ob es mir besser geht? Nein. Naja… ein wenig schon. Verglichen mit dem Zustand im August. Ich schaffe es meistens rechtzeitig aufzustehen, nehme an den Therapien i.d.R. teil, denke nicht _nur_ an irgendwelche möglichen und unmöglichen Krankheiten und der Selbstzerstörungsdrang ist zwar noch da, aber nicht mehr ganz so schlimm. Die Wut ist auch weniger geworden. Aber ehrlich gesagt schreibe ich das dem Medikament zu… Und die Angst? Besser. Aber ich weiß wie es ist… jetzt ist sie besser, weil ich mich mit meinen Problemen beschäftige und andere Gefühle – die, die hinter der Angst stecken – vermehrt da sind. Sobald ich draußen bin im Alltag, ändert sich das schnell wieder. War nach Erlangen so. War aber auch nach 2010 so, so nach und nach kam wieder mehr Angst.

Jetzt würde ich wirklich an meinen Problemen arbeiten können, jetzt komme ich ran an die Gefühle. Fühle mich halbwegs sicher in dem therapeutischen Rahmen – und muss gehen. Irgendwie bin ich deswegen schon wütend… aber irgendwie ist es mir auch langsam egal. Nach 7 Jahren Therapie stehe ich immernoch ziemlich bescheiden da. Ich glaube so langsam kommt der Punkt, an dem ich sage: Leute, ich habe keinen Bock mehr! Was das an Konsequenzen nach sich zieht bzw. was ich daraus mache, ist noch offen. Von mir aus kann sagen wer will “Leben ist Leiden” – sehe ich schon auch so. Aber wer sagt, dass man sich das ewig antun muss?! Da komme ich wieder zu meiner Frage: Wozu?

Für besseres Karma? (Dazu müsste man davon überzeugt sein, dass man wiedergeboren wird.) Des Stolzes wegen? (Stolz? Welcher Stolz?!) Weil man keine Schwäche zeigen will? (Was ist schon Schwäche… und wen interessiert’s?) Weil man es irgendwem beweisen will? (Ich habe niemandem mehr irgendetwas zu beweisen!)

Psychologie will ich eigentlich auch nicht mehr studieren. Ich glaube doch selbst nicht daran… und außerdem bin ich zu kaputt dazu. Man sollte stabil sein und mit sich selbst im Reinen, bevor man andere therapiert.

Ergotherapie erscheint mir auch zu banal. Zu… flach… zu öde… zu stumpfsinnig. Und der Heilpraktiker? Die Idee ist gut… doch die Welt ist noch nicht bereit [(c)Tocotronic]. Außerdem… wenn ich nicht daran glaube, dass ich psychisch wieder fit werde, ist dieser Job nicht das Richtige. Zu unsicher. Zu großes Risiko, keine Sicherheit und außerdem muss man sich weiterbilden – weit weg. Wenn man wirklich gut sein möchte. Braucht eine Menge Startkapital (-> Abhängigkeit) und wenn man Glück hat, ist es ein +/- Null-Geschäft. Um Geld geht es mir nicht. Aber von irgendwas muss man ja leben und abhängig möchte ich nicht mehr sein – weder von meinem Vater, noch von einer Bank oder sonst irgendwem.

Ich möchte nichts mehr von dieser Welt oder diesem Leben. Natürlich habe ich liebe Menschen um mich herum, keine Frage. Aber auch das scheint meine Probleme nicht lösen zu können… ich kann mich anscheinend auch nicht gut genug mitteilen, um zumindest den Therapeuten klar zu machen, um was es geht, wie es mir wirklich geht, etc. Die Betonung liegt auf “kann” – ich kann es nicht. Egal wie sehr ich es möchte oder versuche.

Diese Welt kotzt mich einfach nur noch an. Ich ekle mich regelrecht davor… wenn ich mich draußen umsehe, kommt mir das Kotzen. Graue, widerliche, leere, trostlose Welt. Sinnlos… Sinnfrei… Leblos… Verlogen… Kalt… In meinen Augen. Diese Ansicht können weder das ach so bunte Fernsehen, der Weihnachtswahn oder irgendwelche in den Medien zelebrierten Großveranstaltungen oder Shows verändern. Alles glitzernde, schillernde, regenbogenfarbene Lügen. Eine bescheuerte Scheinwelt, auf die alle reinfallen, weil es ihren Wunschvorstellungen entspricht. Aber ich bin Realist, ich lasse mich von solchem Bullshit nicht täuschen. Wenn jemand das anders sieht, freut mich das für ihn/sie. Ich sehe es nunmal so, und nicht anders.

Schlaflos.

Ich liege gerade wach in meinem Hochbett im Haus meines Vaters und denke nach. Über den Sinn oder Unsinn meines Lebens bzw. des Lebens allgemein.
Finde ihn nicht.
Ich weiß nicht was ich will.
Ich weiß nicht wohin ich will.
Man steht auf, tut seine Pflichten (mehr oder weniger)… Aber wozu?
Dieses Wort schwirrt mir die ganze Zeit im Kopf herum. WOZU?!
Die Leute sagen mir immer wieder ich sei intelligent, kreativ und künstlerisch begabt… Aber was hilft mir das, wenn ich nicht weiß was ich damit anfangen soll, weil ich am Lebenssinn allgemein zweifle… Wen interessiert dann irgendein Job? Oder Intelligenz?
Gesund werde ich sowieso nicht mehr. Also was bringt mir das alles noch?
Ich bin kaputt. Ich verliere mal wieder die Kontrolle.
Trotz 100mg Amitryptilin bin ich nach wie vor depressiv. Die in der TK wollen mich auch bald wieder loswerden, weil ich ja dieses Jahr schon so viel Zeit in der Klinik verbracht habe… Aber ich will erst gehen, wenn es mir ein bisschen besser geht. Spielt doch keine Rolle wie lange ich dieses Jahr schon in Therapie war…. Oder etwa schon?
Ich sehe jedenfalls in all dem keinen Sinn mehr. Ich habe nichts was mir Motivation geben würde weiterzukämpfen.
WOZU?!
Diese Welt da draußen ist beschissen und in so einer Welt will ich überhaupt nicht leben (müssen). Es ist ein riesen Irrenhaus und die einzig vernünftigen Menschen findet man in der Klapse oder am Rande der Gesellschaft.

Das Wesentliche.

Das Wesentliche im Leben ist, dass man sich bewusst macht, dass es nicht ewig so ist wie es ist. Wir alle sterben irgendwann und haben meistens keine Kontrolle darüber, wann genau es so weit ist. Ich habe mich lange und sehr ausführlich mit diesem Thema beschäftigt. Habe Menschen gesehen und erlebt, die das Leben nur hassten. Menschen, die einfach unglücklich waren mit dem Leben das sie hatten – und als ihnen bewusst wurde, dass nur sie die Macht haben, es so zu verändern, dass es sie glücklich macht, taten sie dies. Oder bemühten sich zumindest. Den meisten wurde dies aber nie bewusst.

 

Ich denke mir selbst war dies auch lange nicht bewusst. Natürlich, man hörte Sprüche wie “Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter” und bildete sich ein, man würde dies beherzigen oder zumindest daran arbeiten. Aber an sich tut man es nicht. Man findet den Spruch schön, sieht vielleicht Wahrheit darin, aber den Schritt zu gehen, es so umzusetzen, wagt kaum wer. Viele warten einfach… jeden Tag. Beschäftigen sich, lenken sich ab. Denken sich: Irgendwann wird es schon besser. Oder beten. Oder  verdrängen es. Ich bewundere jeden, der so lebt. Der jeden Tag nutzt, jeden Tag zu einem schönen macht. Der am Ende seines Lebens sagen kann: Ja. Das war es wert, ich bin bereit zu gehen – ich habe alles erlebt was ich erleben wollte oder ich war einfach glücklich.

 

Mir selbst wurde vor einem Jahr bewusst, wie es ist vor dem Ende zu stehen. Unvorbereitet. Unerwartet. Als der Moment gekommen war, in dem ich wirklich dachte, ich müsste sterben – und die Ärzte dies wohl auch dachten – war mein erster Gedanke: Nein, ich will nicht. Wieso? Ich habe so viel nicht erlebt. So viel falsch gemacht in meinem Leben. Mein zweiter Gedanke war: So ein Quatsch. Es ist richtig jetzt zu sterben, auf das Leben wie es vorher war hatte ich sowieso keine Lust mehr. Also lass mich sterben, das ist das beste für alle und ich habe alles hinter mir. Ich starb nicht, wie man sehen kann. Doch es war knapp und es war sicherlich nicht einfach wieder ins Leben zurückzufinden.

Dennoch muss ich sagen: Gegen meinen Zustand vor dem Krankenhaus war das Krankenhaus echt angenehm. Selbst mit all den Schläuchen, den Schmerzen, den Tränen, den Sterbenden um mich herum.

 

Letzendlich bin ich froh, dass es mir so passiert ist, wie es passiert ist. Das klingt sicherlich merkwürdig, ich weiß. Doch ich habe danach gelernt, mein Leben mehr zu schätzen. Oft denkt man, alles um einen herum wäre selbstverständlich… das Atmen, das Essen, das Gehen. Es ist nicht so. Alles, was wir haben, ist vergänglich. Nur weil wir es haben, heißt das nicht, dass man es nicht schätzen braucht. Nur weil viele es haben, heißt das nicht, dass es nichts wert ist. Man sollte sich jeden Tag aufs Neue klarmachen, was man hat und dafür dankbar sein. Seit letztem Jahr tue ich das. Mir geht es natürlich nicht immer gut und ich kann es auch nicht immer so umsetzen, wie ich es wollte, dennoch hilft es so zu denken.

 

Dadurch, dass die Ärzte und meine Freunde/Verwandten mich so unterstützt haben, ist mir mein Leben wieder mehr wert. Natürlich dachte ich im Krankenhaus auch daran, all das zu beenden. Aber dann kam mir jedes Mal der Gedanke: Sie haben sich so für dich eingesetzt, für dich gekämpft, sie haben deinem Leben Wert gegeben. Diese Feigheit, diese Schwäche von dir musst du endlich überwinden. Gib nicht immer gleich auf, sondern kämpfe – auch wenn das meistens der härtere Weg ist. Und seitdem bin ich eine bessere Kämpferin geworden. Und im Nachhinein muss ich sagen: Das war es wert.